Sie sind die Tochter eines Autokraten, ein zwielichtiger Financier oder ein gewissenloser Erdölhändler? HERZLICH WILLKOMMEN – Switzerland is yours!
Die Schweiz bietet Ihnen grosse Vorteile und empfängt Sie mit offenen Armen. Wir stellen nicht zu viele Fragen und sind bekannt für milde Gerichtsurteile bei Korruption oder Geldwäscherei. Schliesslich wollen wir unseren Ruf als Standort erster Wahl für Steuerhinterziehung und kriminelle Gelder nicht gefährden. Geld stinkt bekanntlich nicht…!
Klar, aufgrund des internationalen Drucks mussten wir leider die eine oder andere Anpassung vornehmen. Aber keine Sorge: Wir haben das im Griff und sind kreativ! Die Schweiz ist nach wie vor ein sicherer Hafen für Wirtschaftskriminelle der gehobenen Klasse (ab 10 Mio. Franken Vermögen) – vorausgesetzt, Sie wissen sich zu helfen.
Hier finden Sie alle Informationen, um die Vorteile der Schweiz und alle ihre Schlupflöcher voll auszunutzen – Public Eye berät Sie gerne bei Ihren korrupten Machenschaften…
Testen Sie, ob Sie als Anwalt, Diktatorentochter oder Rohstoffhändler alle Schlupflöcher der Korruption «Made in Switzerland» kennen. Das Wichtigste: Lassen Sie sich ja nicht erwischen!
Warum ist die Schweiz eine Traumdestination für Wirtschaftskriminelle? Wer sind die richtigen Ansprech- und Geschäftspersonen, die Ihre Vorhaben ermöglichen? Public Eye hat für Sie diesen Werkzeugkasten zusammengestellt, der Ihnen hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Entdecken Sie die Vorteile und Gesetzes-Schlupflöcher unseres schönen Landes.
Noch ein paar weitere Jahre Freiheit! Am 19. März 2021 wurden Teile des Entwurfs für eine Revision des GwG (des Geldwäschereigesetzes von 1997) versenkt. Mit den vorgeschlagenen Anpassungen sollten Anwält*innen, die für Sie Briefkastenfirmen oder Trusts gründen, leiten oder verwalten, dem GwG unterstellt werden. Die zuständige Parlamentskommission, der mehrere Anwält*innen angehören, lehnte dies mit der Begründung ab, dass damit eine «ernsthafte Beeinträchtigung» des Berufsgeheimnisses verbunden wäre.
Für Ihre Berater*innen gibt es somit weiterhin keinerlei Sorgfalts- oder Kontrollpflicht. Solange sie nicht für Ihre Bankkonten zeichnungsberechtig sind, sind sie auch nicht verpflichtet, dubiose Machenschaften an die Meldestelle für Geldwäscherei zu melden.
Anders als die Anwält*innen unterliegen die Schweizer Banker*innen seit über 25 Jahren leider dem Geldwäschereigesetz. Theoretisch kann ihnen die Justiz drei verschiedene Tatbestände vorwerfen: Banker*innen können selbst der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) bezichtigt werden. Oder sie werden angeklagt, weil sie die Herkunft der Gelder und den wirtschaftlich Berechtigten der Gesellschaften nicht ausreichend abgeklärt haben (Art. 305ter StGB). Oder aber weil sie der Meldepflicht im Verdachtsfall nicht nachgekommen sind (Art. 37 GwG).
Aber keine Sorge: Ihr Banker muss einfach nur sehr nachlässig arbeiten, dann wird ziemlich sicher nichts passieren. Wenn er zum Beispiel Ihre Unterlagen nicht lange genug aufbewahrt oder behauptet, höchst auffällige Finanztransaktionen nicht bemerkt zu haben, wird es höchstens eine kleine Busse absetzen. Keine Strafe gibt es hingegen, wenn die Justiz die kriminelle Herkunft der Gelder nicht beweisen kann.
Bei «begründetem» Verdacht ist Ihr Banker oder Vermögensverwalter verpflichtet, eine Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei zu machen. Das ist die viel gepriesene «Selbstregulierung»! In diesem etwas verkehrten System ist es verständlich, dass Ihre Ansprechpersonen manchmal auf eine Meldung verzichten, indem sie mit der Interpretation von Begrifflichkeiten rumspielen. Bei einem «einfachen» Verdacht, oder wenn Sie bestimmte Unterlagen nicht vorlegen, kann es auch vorkommen, dass Ihnen diskret geraten wird, die Bank zu wechseln. Alles halb so wild: Niemand erfährt etwas davon.
Ganz anders in Frankreich: Dort löst jede Einzahlung oder Abhebung von über 10’000 Euro Bargeld eine Meldung an die zuständige Behörde aus. Und die meisten Banken übermitteln systematisch Informationen über Transaktionen ab einer Höhe von 150’000 Euro, bei denen der tatsächliche Begünstigte nicht eindeutig identifiziert werden kann.
Was geschieht, wenn Sie einen übereifrigen Vermögensverwalter haben, der, obwohl er nicht dazu verpflichtet wäre, doch die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) einschaltet? Und Ihre Konten gesperrt werden, so dass Sie beispielsweise keine Überweisung mehr nach Litauen tätigen können, um den Ex-Transportminister der Ukraine für seine wertvollen Dienste zu entschädigen? Glücklicherweise zählt die kleine Meldestelle nur etwa 40 Angestellte, die Tag und Nacht unter «archaischen» Bedingungen arbeiten, wie es der ehemalige Leiter der MROS beschrieben hat.
2020 waren mehr als 6000 Meldungen von Banken noch nicht bearbeitet. Und in einem Viertel der Fälle mussten die armen Mitarbeitenden die per Post empfangenen Bankdaten Ziffer für Ziffer am Computer erfassen. Ganze Kisten konnten verloren gehen. Seit 2021 dürfen die Banken Ihre Unterlagen aber nur noch auf elektronischem Weg einsenden. Bloss tun dies noch längst nicht alle… Mit etwas Glück können also immer noch Unterlagen verloren gehen.
Wurde Ihr Unternehmen durchsucht? Nur keine Angst: Sie haben die Möglichkeit, das Schweizer Justizsystem an der Nase herumzuführen, indem Sie die Aushändigung Ihrer beschlagnahmten Dokumente an die Ermittler*innen während Monaten oder gar Jahren blockieren. Dafür müssen Sie sich lediglich auf Artikel 248 der Strafprozessordnung berufen. Diese Bestimmung ermöglicht die «Versiegelung» beschlagnahmter Unterlagen. Somit darf die Strafbehörde die Materialien weder einsehen noch auswerten, weil die Informationen angeblich gesetzlich geschützte Geheimnisse enthalten.
Im Klartext: Hat die Polizei eine Festplatte Ihres Unternehmens beschlagnahmt, so argumentieren Sie, dass darauf persönliche Informationen enthalten sind oder solche, die unter Geheimhaltung fallen, z.B. die Korrespondenz mit Ihren Anwälten. Das Verfahren wird dann lahmgelegt, bis ein unabhängiges Gericht einen Entscheid fällt. Dieses Spielchen lohnt sich immer, wenn Sie auf Verjährung setzen wollen.
Gehen wir mal davon aus, Sie haben sich mühsam Ihr Vermögen aufgebaut und auf sicheren Schweizer Bankkonten deponiert. Nun werfen Ihnen Beamt*innen Ihres Heimatlandes vor, Sie hätten dieses Vermögen unrechtmässig erworben. Sie gehen sogar so weit und bitten die Schweiz um Rechtshilfe. Zu Ihrem Glück ist die Schweiz aber besonders pingelig bei Rechtshilfeersuchen. Wenn diese also nicht präzis genug sind, stehen die Chancen gut, dass die Gesuche von einer Amtsperson, die es ganz genau nimmt, aus formalistischen Gründen zurückgewiesen werden.
Nehmen wir an, der Schlag erfolgt aus dem Ausland, und Sie sind in die Fänge der Schweizer Justiz geraten. Litauen hat bspw. ein Rechtshilfegesuch an die Bundesanwaltschaft in Bern gestellt. Nun will das baltische Gericht alle Sie betreffenden Bankunterlagen einsehen: Ihr ukrainischer Freund, der Ex-Transportminister, dem Sie grosszügige Beträge überwiesen haben, wurde in Vilnius verhaftet und hat vor den Ermittler*innen ausgepackt.
Die Schweiz steht kurz davor, Ihre Akten zu übermitteln. Jetzt nur nicht aufgeben! Lieber legen Sie Rekurs ein – selbst unter falschem Vorwand. Damit gewinnen Sie mehrere Monate oder bis zu einem Jahr Zeit. Sie können sogar zweimal rekurrieren: einmal beim Bundesstrafgericht und einmal beim Bundesgericht. Verzögerungstaktiken sind immer nützlich, um auf Verjährung zu spielen.
Sie brauchen eine Briefkastenfirma zur Steuerhinterziehung oder Verschleierung dubioser Geschäfte? Im grossen Markt für Offshore-Firmen sind unsere Anwält*innen und Treuhänder*innen anerkannte Expert*innen. Sie sind wahre Meister*innen im Erschaffen leerer Hüllen und Firmenkonstrukte, auf die die Justiz keinen Zugriff hat. Am liebsten agieren sie in Panama, auf den British Virgin Islands oder auch in der Schweiz.
Wer ohne Schweizer Wohnsitz in der Schweiz eine Firma gründen will, kann dies mit ein paar Klicks tun. Entsprechende Angebote finden sich im Internet zuhauf. Teils wird ein «Hausdienst» mit Schweizer Telefonnummern angeboten, um die Illusion der Echtheit zu erzeugen. Dazu werden Anrufe und Briefe weitergeleitet. Das Paket gibt es für 99 Franken pro Monat. Und schon schmückt der kryptische Name Ihrer Firma einen von vielen Briefkästen in Genf, Zug oder Lugano. Das Beste daran: Da die Schweiz kein öffentliches Register der Begünstigten von Unternehmen einführen will, wird Ihre Identität niemals aufgedeckt werden.
Sollten Sie trotz aller Vorkehrungen doch erwischt werden, haben Sie dennoch Glück: Seit der Revision des Strafgesetzbuches von 2007 werden Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren automatisch auf Bewährung ausgesprochen. Als Wirtschaftskrimineller riskieren Sie nicht viel, ausser einer kleinen Busse und der Verpflichtung, die gestohlenen Gelder zurückzugeben.
Wenn Ihnen die Verbrechen oder Vergehen nicht direkt zugerechnet werden können, sieht Artikel 102 des Strafgesetzbuches eine maximale Busse von 5 Millionen Franken wegen Organisationsmängeln in Ihrem Unternehmen vor. Ein Taschengeld! Neben der Busse kann die Staatsanwaltschaft noch eine Ersatzforderung verhängen. Dabei handelt es sich nicht um eine echte Strafe, sondern bloss um den Einbezug Ihrer illegalen Gewinne.
Sie sehen: Die Schweizer Gesetzgebung wurde für anständige Menschen wie Sie gemacht!
Handeln Sie mit Erdöl oder Metallen? Zögern Sie keine Sekunde, Ihre Handelsgesellschaft in der Schweiz registrieren zu lassen. Standort erster Wahl ist natürlich Genf. Die dortigen Banken werden Sie gerne finanzieren. Und es wimmelt von einschlägigen Handelskonzernen, kleinen Händlern und findigen Vermittlern. Eine einzige grosse Familie! Als valable Alternative bietet sich Zug an: Die liebliche Kleinstadt diente einigen der grössten Player in der Branche als Sprungbrett und bietet verlockende steuerliche Vorteile.
Im Schweizer Handelsregister erscheinen nur die Namen Ihrer Untergebenen (Verwaltungsratsmitglieder oder Geschäftsführende), während Sie selbst nicht aus dem Schatten Ihrer Aktiengesellschaft treten müssen. Und Sie haben einen weiteren gewichtigen Vorteil: Anders als Banker*innen, die dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind, müssen Händler*innen weder Sorgfaltspflichten erfüllen noch Angst vor einer Aufsichtsbehörde wie der FINMA haben. Vorsichtsmassnahmen bei der Auswahl Ihrer Geschäftspartner*innen oder Vermittler*innen von Öllieferungen? Kann Ihnen alles piepegal sein. Ist das Leben nicht herrlich?
So ein Pech: Ihr Vermögen wurde von der Schweizer Justiz gesperrt, weil Sie dessen legale Herkunft nicht nachweisen konnten. Die kürzlichen Enthüllungen investigativer Journalist*innen haben Ihren Banker aufgeschreckt: Zu seinem eigenen Schutz hat er Sie jetzt doch bei der Meldestelle für Geldwäscherei gemeldet. Dadurch stellt er zudem auch sicher, dass sein Institut die Gelder samt Zinsen jahrelang behalten kann… zumindest solange die Justiz Ihres Landes deren kriminelle Herkunft nicht beweisen kann (oder will). Was ziemlich oft der Fall ist. Nach Ablauf der gesetzlichen Fristen werden die Gelder aber höchstwahrscheinlich wieder für Sie freigegeben oder – falls Sie bis dahin das Zeitliche gesegnet haben – Ihren Nachkommen ausgehändigt.
Sie sind eine politisch exponierte Person (PEP) und möchten Ihre in Zypern hart erschlichenen Schmiergelder investieren? Träumen Sie von einem Schloss oder einem gediegenen Herrenhaus mit Seeblick? Schlagen Sie zu, denn der Schweizer Gesetzgeber hält es immer noch nicht für nötig, die Immobilienbranche dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen. Weder Makler*innen noch Notar*innen sind verpflichtet, die Herkunft Ihrer Gelder zu überprüfen und werden deshalb auch keine lästigen Fragen stellen.
Um Rückschlüsse auf Ihre Person zu vermeiden, kaufen Sie Ihren lauschigen Rückzugsort nicht in Ihrem eigenen Namen, sondern über Mittelspersonen. Oder aber über Offshore-Firmen, die in einem Steuerparadies registriert sind. Das beste Konstrukt überhaupt: Bezahlen Sie Ihre Immobilie ohne Beteiligung einer Schweizer Bank, dank einem komplexen Zusammenspiel von Krediten zwischen mehreren Scheinfirmen, die Sie kontrollieren. Sobald Sie Ihre Liegenschaft erworben haben, können Sie damit bei einer seriösen Schweizer Bank einen Kredit erhalten. Oder Sie lassen sich für Umbauarbeiten viel zu hohe Rechnungen ausstellen – und schwupps, schon sind Ihre Gelder weissgewaschen.
Leider währt nichts ewig. Nach den anonymen Nummernkonten, die über Jahrzehnte bei Steuerhinterziehung und dem Waschen von Drogengeldern besonders beliebt waren, hat die Schweiz nun auch die Inhaberaktien aus dem Verkehr gezogen. Schuld daran sind das Globale Forum für Transparenz und Informationsaustausch zu Steuerzwecken der OECD sowie die Financial Action Task Force (FATF). Insbesondere die FATF legt sich seit 20 Jahren für die Abschaffung von Inhaberaktien ins Zeug. Inhaberaktien ermöglichten Unternehmen die Ausgabe von Wertpapieren, ohne dass Banken oder Behörden die Identität der Besitzer kannten. Leider, leider mussten Sie die meisten Inhaberpapiere bis zum 30. April 2021 in Namenaktien umwandeln – schade, aber es wird sich bald ein neues Schlupfloch finden.
Finden Sie heraus, wer Ihnen bei Ihren kriminellen Machenschaften gute Dienste leisten kann. Jegliche Ähnlichkeit mit echten Persönlichkeiten ist wohl wenig schmeichelhaft – lässt sich aber kaum vermeiden…
Machen Sie sich mit all den kleinen Annehmlichkeiten vertraut, die Ihnen Ihre illegalen Geschäfte erleichtern werden.
Wie in all unseren Texten nutzen wir standardmässig den Genderstern – auch wenn es in den allermeisten Fällen ganze Kerle sind, die sich um Ihre Anliegen kümmern werden.